Bildnachweis: MLL.

Plattform Life Sciences: Herr Prof. Haferlach: Im Rahmen der Finance Days am Mittwoch, 10. April, werden Sie einen Vortrag zum Thema „Künstliche Intelligenz im Kampf gegen Krebs“ halten. Welches sind die wesentlichen Kernaussagen?

Prof. Haferlach: Die vieldiskutierte Zukunft der Gesundheitswirtschaft ist bereits Realität, da die moderne Medizin zunehmend von revolutionären Technologien unterstützt wird – zur gezielten Entlastung des exzellenten Fachpersonals, zur Fehlerreduktion und zur Erhöhung von sowohl Geschwindigkeit als auch Qualität von Diagnosen und Therapie. Die nachhaltige Vernetzung zwischen Diagnostikern und Therapeuten sowie die Anwendung solch zukunftsweisender Datentechnologien in der Gesundheitswirtschaft werden den Erfolg moderner medizinischer Versorgung sicherstellen. Am MLL sehen wir Digitalisierung, Automation und den Einsatz von KI als Schlüsselthemen im Gesundheitswesen – und in meinem Vortrag zeige ich, wie sich das im speziellen Bereich der Hämatologie bereits entscheidend auswirkt.

Dr. med. Dr. phil. Torsten Haferlach, MLL Münchner Leukämie Labor.

Wie nutzen Sie ganz konkret Künstliche Intelligenz in Ihrer Arbeit?

Am MLL werden Diagnostik, Prozesse und darauf aufbauend Hinweise zur Behandlung bereits zielführend von KI, Big Data und Automatisierung unterstützt – nicht um Fachpersonal zu ersetzen, sondern um dieses zu entlasten und dem Fachkräftemangel zu begegnen. Abläufe vom Probeneingang bis zum Befund werden dadurch effizienter gestaltet, die Forschung im Bereich Hämatologie vorangetrieben. Über 330 Spezialisten arbeiten in unserem Labor, mehrfach mussten wir die Räumlichkeiten am Standort erweitern. Seit 2005 haben wir über 2,5 Millionen medizinische Befunde erstellt. Mit der rasanten technischen und wissenschaftlichen Entwicklung muss man Schritt halten, und innovativ reagieren. Von Anfang an haben wir auf Digitalisierung und Automatisierung gesetzt, in allen Unternehmensbereichen wurde und wird schrittweise KI getestet und etabliert, neue Algorithmen eingeführt und Workflows gebündelt. So wurden Befundungszeiten bei höchster Präzision verkürzt.

Dass Künstliche Intelligenz die Medizin nachhaltig verändern kann, ist bekannt. Aber wie sieht es dahingehend mit der Ausbildung der Medizinerinnen und Mediziner aus, die die KI ja später praktisch anwenden müssen?

Vernetzung und Interdisziplinarität sind hierbei die zentralen Faktoren. Wir setzen ja fundiertes klassisches medizinisches Wissen ebenso ein wie Machine Learning und Deep-Learning-Methoden, also neuronale Netze. Bei uns am MLL arbeiten Hämatologen, Molekulargenetiker, Bioinformatiker und andere Fachexperten Hand in Hand mit neuesten technologischen Möglichkeiten, um Diagnose, Befundung und Hinweise zu den gezielten Therapien für die Patientinnen und Patienten fortwährend zu optimieren. Wir haben eigene Abteilungen für Forschung und Entwicklung, für Bioinformatik und für KI, und tauschen uns permanent auch mit internationalen Wissenschaftlern aus. Darin liegt der Schlüssel.

Brauchen wir neben staatlichen oder privaten Forschungseinrichtungen nicht auch Unternehmen, welche die Entwicklung der KI im Kampf gegen Krebs vorantreiben? Stichwort „Ausgründung“.

Unser ausgesprochen moderner Gerätepark, umfassende Analysemethoden auf wissenschaftlich neuestem Stand und der Einsatz neuester Technologien inklusive Künstlicher Intelligenz und Machine Learning ermöglichen eine optimale Diagnostik und Therapie für die Patientinnen und Patienten. All die Mittel dafür sind eigenerwirtschaftet, ohne öffentliche Fördermittel – insofern kann auch privatwirtschaftlich finanzierte Medizin und Forschung stets eine wichtige Rolle spielen aus unserer Sicht. Zentral ist letztlich das Zusammenspiel aller relevanten Akteure. Insgesamt müssen innovationshemmende Hürden bei der verantwortungsbewussten Datennutzung sowohl für die akademische und die außeruniversitäre Forschung, jedoch auch für forschende Gesundheitsunternehmen reduziert werden, wenn wir eine nachhaltig vernetzte Gesundheitsdateninfrastruktur schaffen wollen.

Wie wird der Kampf gegen Krebs also in Zukunft aussehen? Wird der Schwerpunkt beispielsweise eindeutig in der Prävention liegen und kann die KI vermehrt dafür sorgen, dass der Krebs gar nicht erst ausbricht?

Am MLL kennzeichnet uns stets das Streben nach dem Goldstandard in der Leukämiediagnostik und -behandlung. Der Einsatz von KI bietet hierbei entscheidende Vorteile. Wenn wir jetzt beispielsweise noch zusätzlich mit der KI nach Gemeinsamkeiten im Erbgut der Kranken suchen, die weitere Rückschlüsse auf die Ursachen der Erkrankung erlauben, sehen wir neben den Grundlagen für eine maßgeschneiderte Therapie auch ggf. präventive Ansatzpunkte. Diese Kombination wird aus meiner Sicht die Zukunft der sogenannten smarten Medizin bestimmen.

 

ZUM INTERVIEWPARTNER

Prof. Dr. med. Dr. phil. Torsten Haferlach ist Hämatologe und ausgewiesener Experte auf dem Gebiet der Leukämiediagnostik und -therapie. Seine Forschungen führen zur Entwicklung neuer diagnostischer Möglichkeiten und deren Umsetzung in patientenrelevante Befunde und Behandlungen. Er promovierte in der Medizin und der Germanistik und habilitierte in der Inneren Medizin, Schwerpunkt Hämatologie und Internistische Onkologie, mit dem Fokus auf Leukämiediagnostik. Er war Oberarzt an den Universitätskliniken in Kiel und Göttingen sowie an der Universitätsklinik der LMU in München-Großhadern, wo er auch als Gründer und Leiter des dortigen Labors für Leukämiediagnostik fungierte. 2005 gründete er das MLL Münchner Leukämielabor und das MLL MVZ als angeschlossenes einschlägiges Medizinisches Versorgungszentrum als eng kooperierende Unternehmen, als deren Geschäftsführer er bis heute aktiv ist.