Bildnachweis: Adobe Stock – rawpixel.com.

Allen aktuellen Herausforderungen zum Trotz: Die Themen Teilhabe am Produktivkapital, Altersvorsorge und Aktienkultur müssen auf der politischen Agenda weit oben verbleiben.

Die Bundestagswahl liegt nun fast schon ein Jahr zurück. Angesichts des Kriegs in der Ukraine, rasant steigender Preise und aufkommender Konjunktursorgen bleibt der Bundesregierung kaum Zeit zum Durchschnaufen. Das darf aber nicht bedeuten, dass den politischen Entscheidungsträgern der Atem für die Themen Teilhabe am Produktivkapital, Altersvorsorge und Aktienkultur fehlt, zu denen der Koalitionsvertrag vielversprechende Ansätze enthält.

Mit Mitarbeiterkapitalbeteiligung besser durch die Krise

Insbesondere spricht sich die Ampel­koalition für eine weitere Förderung der Mitarbeiterkapitalbeteiligung aus. Das ist richtig und wichtig, gerade in diesen turbulenten Zeiten, denn die Mitarbeiterkapitalbeteiligung ist keines­wegs ein Schönwetterinstrument. Vielmehr zeigen empirische Daten aus den USA, dass die Mitarbeiterkapitalbeteiligung in Krisen Schwächephasen der Unternehmen wirksam abfedert. In der Studie gehen Wissenschaftler der Frage nach, wie US-Unternehmen mit einer Beteiligung der Arbeitnehmer am Aktien­kapital durch die Coronapandemie ­gekommen sind. Diese Unternehmen vergleichen sie mit jenen, die ihren Mitarbeitern keine Beteiligung anbieten. Das Resultat ist eindeutig: Die Teilhabe der Mitarbeiter leistet in der Krise einen Beitrag für ein deutlich stabileres Beschäftigungsniveau, für weniger Kurz­arbeit, für geringere Kürzungen bei den Löhnen und Gehältern.

Diesen und weitere Artikel zum Thema Mitarbeiterbeteiligung finden Sie in der neuen Ausgabe des GoingPublic Magazins Special: Mitarbeiterbeteiligung. JETZT KOSTENLOS DOWNLOADEN.

Die weitere Verbreitung der Mitarbeiterkapitalbeteiligung ist also von großer volkswirtschaftlicher und gesell­schaftspolitischer Bedeutung. Die Bundes­regierung sieht das offenbar ­genauso und räumt daher der Mitarbeiterkapitalbeteiligung im Koalitionsvertrag gleich an zwei Stellen Platz ein. Sie will den gesetzlichen Rahmen für eine ­Beteiligung der Mitarbeiter in Start-ups attraktiver machen.

Darüber ­hinaus hat sich die Bundesregierung das Ziel gesetzt, die Mitar­beiter­kapital­betei­ligung in allen Unternehmen ­attraktiver zu machen. Hierfür soll ­unter anderem der Steuerfrei­betrag weiter angehoben werden. Ende Juni haben das Bundesministerium der ­Finanzen und das Bundesministerium der Justiz hierzu die Eckpunkte eines Zukunftsfinanzierungsgesetzes vorgelegt. Dieses Gesetz soll Aktien für breite ­Bevölkerungsschichten attraktiver machen, indem unter anderem der Steuerfreibetrag für Mitarbeiterkapitalbeteiligungen von derzeit 1.440 auf 5.000 EUR erhöht wird. Auch wenn die Details ­dieser Erhöhung noch nicht geklärt sind, wäre diese ein gewaltiger Schritt nach vorne.

Altersvorsorge mit Aktien stärken

Nichts Konkretes gibt es bislang zu dem drängenden Thema Altersvorsorge. Die Beiträge der Arbeitnehmer reichen seit Langem nicht mehr aus, um die Renten zu finanzieren. Mit dem Eintritt der ­Babyboomer in den Ruhestand und den nachkommenden geburtenschwachen Jahrgängen wird sich dieses Problem ab Mitte dieses Jahrzehnts weiter verschärfen. Schon jetzt muss der Bund das Loch in der Rentenkasse Jahr für Jahr mit Steuermitteln von mehr als 100 Mrd. EUR füllen. Das ist rund ein Fünftel des gesamten Bundeshaushalts. ­Um die gesetzliche Rente einigermaßen ­stabil halten zu können, muss die ­Bundesregierung die steuer­finanzierten Zuschüsse bis zum Jahr 2060 mehr als verdoppeln und damit die Hälfte ihrer Einnahmen in die ­gesetzliche Rente stecken. Das kann auf Dauer nicht gutgehen.

Nachsteuerertrag bei jährlichen Sparraten von 1.200 EUR. Quelle: Deutsches Aktieninstitut (Positionspapier, 24. Mai 2022)

Die Ampelkoalition möchte dieses Problem angehen. Zur Stabilisierung der gesetzlichen Rente sollen noch in diesem Jahr zehn Mrd. EUR in Aktien und andere Wertpapiere fließen. Bislang wurden diese Mittel allerdings noch nicht in den Haushaltsplänen des Bundestags berücksichtigt. Damit aus der Rentenkasse kein Fass ohne Boden wird, muss die Bundesregierung besser heute als morgen handeln. Dafür ist aber mehr als ein einmaliger Betrag von 10 Mrd. EUR notwendig. Um wirklich einen Entlastungseffekt in der ­gesetzlichen Rente zu erzielen, muss diese Summe Jahr für Jahr angelegt werden – mindestens.

Noch besser ist der ursprüngliche Vorschlag der FDP zur Aktienrente, der dem schwedischen Modell folgt. In Schweden werden 2,5 Prozentpunkte der Beiträge zur gesetzlichen Rente größtenteils in Aktien angelegt. Die FDP will auf Dauer zwei Prozentpunkte des hiesigen Umlageverfahrens in den Aktienmarkt lenken. Im Jahr 2021 ­entsprach dies rund 27 Mrd. EUR. Mit diesem Betrag lässt sich Jahr für Jahr ein großer Kapitalstock aufbauen, der dazu beitragen kann, die gesetzliche Rente wieder auf Kurs zu bringen.

Aktiensparen steuerlich attraktiver machen

Schließlich findet sich unter der Überschrift Altersvorsorge im Koalitions­vertrag die Aussage, dass der Sparer­pauschbetrag von derzeit 801 auf 1.000 EUR jährlich angehoben werden soll. Kann die Erhöhung dazu beitragen, dass mehr Bürgerinnen und Bürger mit Aktien­ für das Alter vorsorgen? Leider nein. Umso wichtiger ist daher der ­Vorschlag in den Eckpunkten zum Zukunftsfinanzierungsgesetz, einen Steuer­freibetrag für Kursgewinne bei der ­Veräußerung von Aktien und Aktienfondsanteilen für Privatanleger einzuführen. Da allerdings unklar ist, wie hoch dieser Freibetrag sein könnte, wäre die Rückkehr zur Steuerfreiheit von Kursgewinnen nach einer Haltefrist von einem Jahr noch besser. Das zeigen auch unsere Berechnungen zu den finan­ziellen Auswirkungen der ­Erhöhung des Sparerpausch­betrags, die wir mit anderen steuerlichen Förderinstrumenten verglichen haben (siehe Abbildung). ­Zu­grunde­ gelegt wurde ein Sparplan, bei dem Monat für Monat 100 EUR breit ­gestreut in ­Aktien über 20 beziehungsweise 30 Jahre­ investiert werden. Dabei wird ­eine durchschnittliche Rendite von 6% pro Jahr angenommen.

Die Berechnungen zeigen, dass die Erhöhung des Sparerpauschbetrags kaum einen Effekt hat. Nach 30 Jahren Aktiensparen, also einem Einsatz von 36.000 EUR, ergibt sich für den Sparerpauschbetrag von 1.000 EUR ein Nachsteuerertrag auf diese Ersparnisse von 52.695 EUR. Das sind gerade einmal rund 600 EUR mehr im Vergleich zum Status quo des Sparer­pauschbetrags von 801 EUR. Etwas besser schneidet der kumulierte Sparerpauschbetrag ab, bei dem die nicht genutzten Freibeträge eines Jahres in die kommenden Jahre übertragen werden können.

Eine signifikante Vermögensbildungs­wirkung mit einem Nachsteuerertrag von 63.429 EUR erzielt hingegen die ­zusätzliche Steuerfreiheit von Kurs­gewinnen nach einem Jahr Haltedauer. Gegenüber dem geplanten Sparer­pausch­betrag von 1.000 EUR hat der Sparer ­damit einen zusätzlichen Vorteil von 10.734 EUR.

Einen mit der Steuerfreiheit von Kursgewinnen vergleichbaren Entlastungseffekt erzielen Anlagesparkonten, die beispielsweise in Frankreich, Großbritannien oder Schweden weit ver­breitet sind und im Rahmen der Kapitalmarktunion von der Europäischen Kommission diskutiert werden. Anlage­sparkonten dienen dem Ansparen eines­ finanziellen Polsters mit Aktien und ­anderen Wertpapieren. Die Summen, die so regelmäßig gespart werden können, sind in der Höhe begrenzt. Die ­erzielten Erträge werden entweder redu­ziert besteuert oder sind von der Steuer freigestellt.

FAZIT

Mitarbeiterkapitalbeteiligung, Alters­vor­­sorge, steuerlicher Rahmen der Aktienanlage – das sind drängende Zukunftsthemen, die trotz der aktuellen geopolitischen Herausforderungen angegangen werden müssen. Die Eckpunkte des Zukunftsfinanzierungsgesetzes bieten hier­für eine hervorragende Basis.

https://www.dai.de/

Autor/Autorin

Dr. Norbert Kuhn

Dr. Norbert Kuhn ist stellvertretender Leiter im Fachbereich Kapitalmärkte und Leiter Unternehmensfinanzierung beim Deutschen Aktieninstitut.