Baetge_Wünsche

GoingPublic: Meine Herren, nach zwei Jahrzehnten gab es 2014 erstmals keinen Wettbewerb „Die besten Geschäftsberichte“ – was waren die Gründe dafür?

Baetge: Unser bisheriger Medienpartner wollte Ende 2013 den Fokus des Wettbewerbs verschieben. Während unsere Beurteilung ausschließlich die Finanzberichterstattung der Unternehmen betrifft und auf empirischen Befragungen von Kapitalmarktprofis basiert, insofern also objektiv und transparent ist, gehören zur neuen Bewertung des manager magazin vermehrt subjektive und wenig transparente Beurteilungsfaktoren. Da wir kurzfristig keine befriedigende Lösung finden konnten, unser Konzept mit einem neuen Partner fortzusetzen, hatten wir uns zu einer einjährigen Pause entschlossen.

In diesem Jahr geht es wieder weiter. Hat sich an Ihrem Geschäftsbericht-Wettbewerb etwas verändert?

Wir fokussieren uns in diesem Jahr ausschließlich auf die inhaltliche Analyse der Geschäftsberichte der 100 größten deutschen börsennotierten Unternehmen. Im Gegensatz zu den Vorjahren fließen allerdings die inhaltliche Analyse des Zwischenberichts und die gestalterische Analyse der Finanzberichte nicht mehr ein.

Welche Neuheiten gibt es bei der Bewertung der Geschäftsberichte?

Im Vergleich zum Wettbewerb von 2013 haben wir die Checkliste zur inhaltlichen Beurteilung des Lageberichts strukturell an die Änderungen des Deutschen Rechnungslegungs-Standards DRS 20 angepasst. Inhaltliche Neuerungen betreffen im Wesentlichen die Berichtskriterien zur Beurteilung der Inhalte des Anhangs. Dabei wurden bestimmte Angaben, die nach den IFRS-Regeln mittlerweile Pflichtangaben sind, aus der Checkliste gestrichen. Im Gegenzug wurden einige Berichtskriterien neu in die Checkliste aufgenommen, zum Beispiel zur Berichterstattung über Zeitwerte oder Eventualschulden. In einer von uns durchgeführten Studie zur Berichterstattung über rechtliche Risiken haben wir nämlich herausgefunden, dass die Unternehmen gerade über „unsichere“ Schulden derzeit noch sehr heterogen berichten. Deshalb wollten wir solche Darstellungen auch im Wettbewerb „Der beste Geschäftsbericht 2015“ beurteilen.

Ihre Jury steckt derzeit noch mitten in der Bewertungsarbeit. Dennoch dürften sich bereits einige Tendenzen erkennen lassen. Welche positiven Entwicklungen sind in diesem Jahr zu erkennen?

Die Risikoberichterstattung der analysierten Unternehmen ist tendenziell besser geworden. Dies liegt daran, dass die identifizierten Risiken von den Unternehmen oftmals genauer kategorisiert und zudem vermehrt quantitative Bandbreiten-Angaben zu den möglichen Auswirkungen der Risiken im Geschäftsbericht publiziert werden. Auch die Soll-/Ist-Vergleiche zu im Vorjahr prognostizierten Entwicklungen sowie die Gesamtaussagen zur wirtschaftlichen Lage und zur Risikosituation des Unternehmens sind umfangreicher und konkreter. Die Berichterstattung kommt hier „mehr auf den Punkt“, was Leser begrüßen dürften.

Und Schwachpunkte oder Defizite?

Seit dem Inkrafttreten von DRS 20 sind die Unternehmen im Prognosebericht nur noch verpflichtet, über einen Zeitraum von einem Jahr im Voraus zu informieren. Diese Erleichterung wurde von den Unternehmen begrüßt. Deshalb geben viele in ihrem Geschäftsbericht 2014 nur noch eine Umsatz- und Ergebnisprognose für das laufende Geschäftsjahr 2015 ab. Unsere Befragungen der Finanzanalysten zeigen jedoch, dass für diese sehr wichtig ist, auch eine Prognose für das übernächste Geschäftsjahr zu erhalten. Ein solcher Wunsch liegt auf der Hand, wenn man sich vor Augen hält, dass einige Geschäftsberichte von 2014 tatsächlich erst Mitte 2015 veröffentlicht wurden. Der tatsächliche Prognosezeitraum betrüge dann gerade einmal noch ein halbes Jahr. Solche Angaben sind für Analysten nicht ausreichend. Ein weiteres Defizit betrifft die Stringenz in der Berichterstattung über finanzielle und nicht-finanzielle Leistungsindikatoren. Hier sollte unbedingt darauf geachtet werden, dass über definierte Indikatoren nicht nur im Wirtschafts-, sondern auch im Prognosebericht informiert wird.